Rechtlichen Entwicklungen und Trends im Bereich der Fusionen und Übernahmen (Mergers & Acquisitions, M&A):
1. Europäische Union: Einschränkung der Anwendung von Artikel 22 EU-Fusionskontrollverordnung
- Hintergrund: Artikel 22 ermöglichte es nationalen Wettbewerbsbehörden, Fusionen zur Überprüfung an die Europäische Kommission zu verweisen, selbst wenn die Umsatzschwellen nicht erreicht wurden. Ziel war es, sogenannte „Killer-Akquisitionen“ zu kontrollieren, bei denen große Unternehmen innovative Start-ups aufkaufen.
- Entwicklung: Der Europäische Gerichtshof entschied, dass die Anwendung von Artikel 22 in Fällen unzulässig ist, in denen nationale Schwellenwerte nicht erfüllt sind. Die Kommission hat diesen Mechanismus daraufhin eingeschränkt.
- Auswirkungen: Unternehmen müssen nun genauer prüfen, ob ihre geplanten Transaktionen in den Fokus der nationalen oder europäischen Wettbewerbsbehörden geraten könnten, insbesondere in Innovationsbranchen wie Technologie und Pharma.
2. Vereinigte Staaten: Verschärfung der Anmeldepflichten
- Neue Anforderungen:
- Unternehmen müssen detailliertere Informationen bei Fusionsanmeldungen vorlegen, einschließlich früherer Transaktionen, Marktanalysen und Geschäftsstrategien.
- Besonders betroffen sind Private-Equity-Firmen, deren komplexe Beteiligungsstrukturen und langfristige Investitionsstrategien nun umfassender geprüft werden.
- Ziel: Die Federal Trade Commission (FTC) möchte sicherstellen, dass Fusionen nicht zu einer Erhöhung der Marktanteile und einer Einschränkung des Wettbewerbs führen.
- Bedeutung: Unternehmen müssen umfangreichere Ressourcen in die Vorbereitung ihrer Anmeldungen investieren und mit längeren Prüfungszeiträumen rechnen.
3. Australien: Reform der Fusionskontrollvorschriften
- Geplante Änderungen:
- Einführung eines Schwellenwerts, ab dem Transaktionen mit einem Wert von über 35 Millionen AUD (ca. 21 Millionen Euro) der australischen Wettbewerbs- und Verbraucherkommission (ACCC) gemeldet werden müssen.
- Strengere Prüfung von Fusionen in besonders wettbewerbsintensiven Märkten wie dem Einzelhandel.
- Folgen:
- Unternehmen könnten mit mehr regulatorischen Hürden und längeren Genehmigungsprozessen konfrontiert werden.
- Dies könnte zu einer Verzögerung bei Investitionen und Transaktionen führen, insbesondere bei brancheninternen Zusammenschlüssen.
4. Globale Trends: ESG-Faktoren bei M&A-Transaktionen
- Bedeutung von ESG (Umwelt, Soziales, Unternehmensführung):
- Investoren verlangen zunehmend die Integration von ESG-Faktoren in Due-Diligence-Verfahren, um Risiken im Zusammenhang mit Umwelt- und Sozialfragen zu identifizieren.
- Nachhaltigkeitsklauseln und langfristige Verpflichtungen zur Einhaltung von ESG-Standards werden häufiger in Transaktionsverträgen verankert.
- Praktische Auswirkungen:
- Unternehmen, die ESG-Kriterien frühzeitig in ihre Strategie und ihre Dokumentation integrieren, können einen Wettbewerbsvorteil erzielen.
- Investoren und Käufer bevorzugen Unternehmen, die klare ESG-Ziele und -Berichte vorlegen können.
5. Neue Herausforderungen bei grenzüberschreitenden M&A
- Geopolitische Spannungen: Regulierungsbehörden prüfen zunehmend grenzüberschreitende Transaktionen auf nationale Sicherheitsrisiken (z. B. Technologieübernahmen durch chinesische Investoren in Europa und den USA).
- Fremdenverkehrskontrollen: In vielen Ländern werden Investitionen in kritische Sektoren wie Energie, Technologie und Infrastruktur restriktiver behandelt.
- Beispiel:
- Nationale Kontrollbehörden können Fusionen ablehnen oder an Bedingungen knüpfen, z. B. Verpflichtungen zur Arbeitsplatzsicherung oder technologischen Offenlegung.
Rolle von Anwälten in M&A-Transaktionen
- Strategische Planung:
- Anwälte analysieren rechtliche und regulatorische Risiken der geplanten Transaktion und prüfen die Anwendbarkeit nationaler und internationaler Vorschriften.
- Unterstützung bei der Strukturierung der Transaktion, einschließlich steuerlicher Optimierung.
- Due Diligence:
- Identifizierung von Risiken in Bezug auf Verträge, geistiges Eigentum, Arbeitsrecht und regulatorische Compliance.
- Erstellung von Due-Diligence-Berichten, die als Entscheidungsgrundlage für die Transaktion dienen.
- Verhandlungsführung:
- Verhandlung der Kaufverträge, einschließlich Garantie- und Haftungsregelungen.
- Einbindung von ESG-Kriterien und anderen Anforderungen in die Vertragsgestaltung.
- Regulatorische Abstimmung:
- Einreichung von Fusionskontrollanträgen bei den zuständigen Behörden.
- Vertretung vor Regulierungsbehörden bei der Prüfung von Sicherheits- und Wettbewerbsfragen.
- Integration nach Abschluss der Transaktion:
- Unterstützung bei der rechtlichen Integration der Zielgesellschaft, einschließlich arbeitsrechtlicher und steuerlicher Aspekte.
Diese Entwicklungen zeigen, dass der M&A-Bereich immer stärker durch regulatorische Vorgaben beeinflusst wird. Unternehmen und ihre Anwälte müssen proaktiv handeln, um sich an die veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen anzupassen.